Besinnung: Vom verantwortungsvollen Gebrauch der Zunge

Leider erleben wir immer wieder, wie sich Lügen, „fake news“ und Gerüchte verbreiten, Gehör finden und viel zu schnell für wahr erachtet werden. Vielleicht können sich manche noch an eine WhatsApp-Nachricht erinnern, in der ein angebliches „Geheimlabor“ herausgefunden haben wollte, dass Ibuprofen eine Infektion mit dem Corona-Virus verschlimmern könnte. Das war natürlich Mist, aber die Nachricht verbreitete sich in Windeseile und wurde geglaubt. Nicht nur soziale Medien, sondern auch die altbekannte „Stille Post“ wirken als Booster, als Multiplikator für unnützes Geschwätz. Aber selbst wenn sich bei einer Behauptung im Nachhinein herausstellt, dass sie schlicht gelogen war, dann bleibt sie doch irgendwie in der Welt. Nicht selten richten Lügen echten Schaden an und können sogar auch strafrechtlich relevant werden. In der Bibel gibt es noch keine „social media“. Aber auch ohne diese modernen Nachrichten-Beschleuniger ist es aufschlussreich, dass schon in der Bibel die „üble Nachrede“ und die „Verleumdung“ zu den schlimmsten Vergehen zählen. Schlimmer noch als Mord.

Warum ist das so? Warum wird in der Bibel auf den guten Gebrauch der Zunge so viel Wert gelegt?

Durch üble Nachrede und Verleumdung können Leben zerstört werden. Auch größere Kontexte können ins Wanken kommen, wenn Wahrheit nichts mehr zählt.

In der biblischen Tradition hat das WORT eine elementare Bedeutung: Das Wort Gottes hat die Welt geschaffen. Und durch missbräuchliche Worte kann sie auch zerstört werden. Deshalb beschäftigt sich die Bibel immer wieder intensiv mit den Folgen von Lüge, übler Nachrede und Verleumdung.

„Tod und Leben stehen in der Gewalt der Zunge“, so heißt es in den Sprüchen Salomos (18, 21). Und in den Psalmen steht: „Wer möchte gern gut leben und schöne Tage sehen? Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden“ (Psalm 34,13.14).

In einer jüdischen Erzählung heißt es: Ein Mensch, der seine Mitmenschen verleumdet hatte und dies bereute, ging zum Rabbi. Er fragte: „Wie kann ich das wieder gutmachen?“ Der Rabbi nahm ein Daunenkissen, riss es auf und hielt es in den Wind. Die Federn zerstoben in alle Himmelsrichtungen und der Rabbi fragte: „Wie kann man diese Daunen wieder einsammeln?“

Wir alle stehen in der Verantwortung, Gerüchten, Lügen und Verleumdungen kein Gehör zu schenken und sie auch nicht zu verbreiten. Und wenn wir doch mal unsicher sein sollten, ob wir eine Nachricht glauben können, helfen vielleicht die legendären „Siebe“ des Sokrates: „Wenn die Geschichte, die du mir erzählen willst, nicht wahr ist, nicht gut ist und nicht notwendig ist, dann vergiss sie und belaste dich und mich nicht damit!“

[Ev. Landeskirche in Baden: „Geistliche Impulse“, 2021]

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